Unser Freier Autor Michael Knodt war auf der Hanfparade. Von ihm erreichte uns gestern ein persönlicher Bericht, der einen nicht alltäglichen und sehr unangenehmen Zwischenfall mit medizinischem Cannabis und der Polizei schildert. Der gesamte Vorfall wurde auch auf Video dokumentiert, kann und soll aber aus Schutz von Persönlichkeitsrechten nicht veröffentlicht werden:
Als die Hanfparade am Samstag zum 20. Mal durch die Berliner Innenstadt gezogen ist, waren es nach Angaben des Veranstalters mit weit über 10.000 Teilnehmern wieder ein paar mehr als die Jahre zuvor, die sich öffentlich für reguliertes Kiffen stark gemacht haben. Für einen wie mich, der ziemlich viel über die verbotene Pflanze zu berichten weiß, ist die Hanfparade natürlich berufliches und privates Pflichtevent. So war es auch in diesem Jahr anfangs Business as usual: Der Zug setzte sich am Hauptbahnhof in Bewegung, ein süßlicher Duft lag in der Luft und die Polizei war ob des mangelnden Gewaltpotentials aller Anwesenden ebenso hoch entspannt wie diese. Von dort ging es vorbei am Bundestag, dem Kanzleramt und dem Büro unserer CSU-Bundesdrogenlady Mortler gemütlich zum Roten Rathaus, wo eine große Abschlusskundgebung und Konzerte stattfinden sollten.
Dort angekommen musste ich zwischen zwei beruflichen Terminen und meiner Rede auf der Hauptbühne für eine knappe Stunde meinen Vaterpflichten nachkommen. Die Betreuerin meines sechsjährigen Sohnes hatte mir nämlich schon im Vorfeld angekündigt, dass sie nach meiner Ankunft am „Alex“ alleine einkaufen gehen müsse. Als alleinerziehender Vater bin ich immer froh, wenn ich an Arbeits-Wochenenden überhaupt eine Betreuungsmöglichkeit finde, selbst wenn es, wie in diesem Fall, nicht ganz durchgehend ist. So bin ich nach der Übergabe der Kinder mit ihrer Kleinen (3) und meinem eigenen Sohn (6) über den bunten Hanfmarkt geschlendert, habe mit ihnen gespielt und Backstage einen Apfelsaft und Kekse spendiert. Als ich mit den beiden dann das von fremden Blicken abgeschirmten Areal für Cannabis-Patienten passierte, entdeckte mein Junge an der Einlasskontrolle den spielenden Sohn eines Bekannten. Da ich selbst Cannabis-Patient bin und die Medizin unter anderem nehmen muss,damit ich arbeiten und meine Kinder betreuen kann, habe ich meine kleinen Begleiter zu den anderen, von zwei Personen beaufsichtigten Kleinkindern gesetzt und gute fünf Meter weiter die Ärzte und Patienten begrüßt, die ich ob meines ungewöhnliches Berufsprofils seit Jahren kenne. Die jetzt vier anwesenden Kinder waren bestens versorgt, in Sichtweite der Erwachsenen, von denen einige ihre Medizinal-Hanfdosen aus der Apotheke vor sich liegen hatten. Ein paar saßen noch drei Meter weiter weg und waren gerade dabei, ihre Medizin zu inhalieren. Da das Ganze an der frischen Luft statt fand, waren die Kinder zu keiner Zeit irgendwelchen Grasschwaden ausgesetzt, selbst die anwesende Fachärztin hatte ihren Nachwuchs im Patientenbereich dabei.
„Kinder, Cannabis, Anzeige, Jugendamt, mitkommen”
Ich saß noch keine drei Minuten, da, rannte die Tochter meiner Bekannten plötzlich zu mir und redete von „Männern“, von denen sogleich ein ganz großer vor mir stand. Alles, was ich verstand, war „Kinder ,Cannabis, Anzeige, Jugendamt, mitkommen“, der Rest ging im aufgebrachten Weinen meines nun herbeigelaufenen Sohnes unter. Die anderen beiden Kinder saßen nach wie vor am Eingang und spielten fröhlich Duschen mit Wasserflaschen, ohne, dass es die Polizisten interessierte. Ich wies sie freundlich darauf hin, dass ich
– nicht konsumiere oder konsumiert habe, seit die Kinder hier sind.
– über eine Ausnahmegenehmigung verfüge und mein Gras in der Dose heute in der 50 Meter entfernten Apotheke gekauft habe.
– die Kinder in Kürze wieder übergeben werden, bevor ich selbst meine Medizin nehme.
– noch andere Kinder anwesend sind, deren Gegenwart nicht von Belang scheint.
Doch selbst mein Ausnahmedokument mit Bundesadler half nichts, der Beamte wollte es weder sehen noch mir zuhören. Ich sollte mit zur Minna, eine Personenkontrolle vor Ort kam erst gar nicht in Frage. Meine Kinder wollten mitkommen, sollten jedoch stattdessen in der Zwischenzeit gegen ihren Willen dort bleiben, wo sie der Polizei zufolge gar nicht hätten sein dürfen. Alles ereignete sich so schnell, dass eine Weigerung meinerseits, die Kleinen dort zu lassen, augenscheinlich zu polizeilichen Zwangsmaßnahmen geführt hätte.
Infolgedessen blieb mir keine Wahl als die zwei weinenden Kinder unter Aufsicht einer ihnen völlig fremden Person zur Klärung des Sachverhalts alleine zu lassen. Erst der Einsatzleiter am Einsatzwagen war überhaupt dazu bereit, sich meine Ausnahmegenehmigung anzusehen. Als dadurch langsam klar wurde, dass sie sich mal wieder den Falschen herausgesucht hatten, wurde der Tonfall der Polizisten umgehend freundlicher. Schließlich existiert in Berlin längst eine Dienstanweisung zum Umgang mit Cannabis-Patienten. Ich durfte dann endlich zurück zum Gefahrenbereich, um die beiden Kinder unter Polizeiaufsicht nach insgesamt fast 45 Minuten aus Sodom und Gomorrha zu retten. Die anderen anwesenden Kinder waren weiterhin gut beaufsichtigt am Spielen, weder Rauch noch Dampf ausgesetzt und interessierte die Beamten nach wie vor nicht. Zum Abschluss wurde mir trotz meines Patienten-Status gedroht, das Jugendamt über mein verantwortungsloses Verhalten zu informieren. Dabei freuten sich die Kinder einfach nur, dass ich wieder da war und die „Männer“ mich endlich in Ruhe lassen. *Keine Ruhe für Patienten*
Nachdem ich die beiden der mittlerweile besorgten Betreuerin nach über einer Stunde wieder anvertraut hatte, musste ich unbedingt in den Patientenbereich, um dort meine Medizin zu nehmen. Immerhin war das aufgrund der Kinderbetreuung und der Polizeikontrolle längst überfällig. Kaum hatte ich meine weiß-gelbe Dose vor mir liegen, stand wieder eine neugierige, dunkelblaue Uniform neben mir. Zu meiner Überraschung hat da aber wenigstens mal jemand dringesteckt, der mir zuhört. Nachdem ich mich an diesem Tag zum x-ten Mal gerechtfertigt hatte, konnte ich endlich das gegen meine chronischen Schmerzen tun, was mir nur Dank der umfassenden Dokumentation meiner mittlerweile 40-jährigen Krankheitsgeschichte bei der Bundesopiumstelle möglich ist: Einen legalen Joint rauchen.
Danach konnte ich endlich weiterarbeiten, um vom Abschluss des größten Cannabis-Events in Deutschland zu berichten und persönlich auf der Bühne ein Ende der Stigmatisierung von Cannabis-Patienten einzufordern, die ich wenige Stunde zuvor selbst erlebt hatte. Deshalb hat es mich auch nicht sonderlich überrascht zu erfahren, dass die Einsatzkräfte der Polizei das Patientenareal fast stündlich frequentiert hatten, bis die meisten der Anwesenden Krebs-, Epilepsie- und MS-Kranken die Flucht ergriffen haben. Der legale Konsum von medizinischem Cannabis scheint nicht nur der Berliner Polizei ein Dorn im Auge zu sein, obwohl er angesichts der Dienstvorschrift des vergangenen Jahres eine notwendige medizinische Maßnahme ist. Damals wurde ein Interview, das ich mit einem Cannabis-Patienten im Görlitzer-Park geführt hatte, unsanft und illegal beendet. Immerhin folgte dem unangemessenen Eingriff dann besagte Dienstanweisung.
Grundsätzliches muss endlich geklärt werden
Ich bin bei Weitem nicht der einzige Cannabis-Patient, der Kinder hat. Ich bin selbstverständlich verpflichtet, meinen Kindern keinen Zugang zu meinem Medikament zu ermöglichen. Das nennt sich „Betäubungsmittelsicherheit“ und ist der Grund, weshalb ich mein Gras aus der Apotheke zuhause in einem Mini-Safe aufbewahre. Folglich achte ich auch in den eigenen vier Wänden darauf, dass mein Nachwuchs dem Rauch oder dem Dampf nie ausgesetzt wird, indem ich nur alleine im und am offenen Fenster rauche. Allerdings verheimliche ich meine Medikation nicht, im Gegenteil. Alle Kinder sind diesbezüglich aufgeklärt, schließlich möchte ich ja nicht, dass Kinder Drogen oder meine Medizin ausprobieren, weder aus Neugier noch aus Versehen. Außerhalb der eigenen vier Wände muss ich allerdings in Sichtweite meiner Kinder bleiben, um meine Aufsichtspflicht nicht zu vernachlässigen. Meine ärztliche Verordnung sieht vor, dass ich 6-12 mal am Tag kleine Dosen Cannabis inhaliere. Nur so kann ich schmerzfrei leben, arbeiten und meine Kinder versorgen. Ich kann ja schlecht zu einem sechsjährigen Jungen sagen :“Papa biegt mal kurz um‘s Eck und tut ein wenig heimlich, warte mal alleine hier.“ Für mich ist medizinisches Cannabis genauso wichtig wie Schmerzpflaster für andere und für den Konsum muss ich mich weder schämen noch verstecken. Ich versuche natürlich, wie es in den Regeln für Cannabis-Patienten heißt, nicht „ostentativ“ zu kiffen und setze meine Kinder auch nie meinem Exhalat aus. Doch zur Wahrung meiner Aufsichtspflicht darf ich die Kinder selbst dann nicht aus den Augen lassen, wenn ich meine Medizin nehmen muss. Besonders nicht auf großen Events, auf Reisen, dem Spielplatz oder im Vergnügungspark. Ich halte mich diesbezüglich penibel an das Nichtraucherschutzgesetz und gehe deshalb auf dem Spielplatz zum Inhalieren vor den Zaun. Das würde ich mir von so manchem Zigaretten rauchenden Elternteil ebenfalls wünschen. Oder ich setzte meine Kinder, wievorgestern geschehen, unter Aufsicht ein paar Meter weg vom Geschehen, sofern wir uns draußen aufhalten. Trotzdem müssen sie wissen, dass ich Medizin nehme, die nur für Erwachsene ist und deren Rauch Kinder nicht einatmen sollen. Die verstehen das schon mit drei, die Polizei braucht anscheinend ein paar Jahre mehr.”
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