Im Beschluss zur Regulierung von Cannabis durch das Unterhaus in Uruguay zeigt sich der drogenpolitische Wandel in Südamerika. Die Länder suchen Alternativen zur Drogenprohibition und dem “War on Drugs”. Der Abstimmung ging eine einjährige Debatte voraus, die im vergangenen Juni von Präsident José Mujica angestoßen worden war.
Das Gesetz, welches noch vom Senat bestätigt werden muss, sieht drei Formen des Zugangs zu Cannabis vor: Der Eigenanbau von bis zu 6 Pflanzen, Cannabis Clubs, wie sie in Spanien existieren, in denen sich 15 bis 45 Personen zusammenschließen können, um bis zu 99 Pflanzen gemeinsam anzubauen sowie den lizenzierten Verkauf in Apotheken. Der Verkauf an Minderjährige, die berauschte Teilnahme am Straßenverkehr sowie alle Formen der Werbung sind verboten.
Der kommenerzielle Anbau von Cannabis ist Firmen erlaubt, die Ernte wird vom Staat eingekauft und über Apotheken rezeptfrei vertrieben. Wer gerade dabei ist, seine Koffer zu packen, um einen Urlaub in Uruguay anzutreten, den müssen wir enttäuschen. Um Drogentourismus zu verhindern dürfen nur Bürger von Uruguay in den Apotheken einkaufen. Bürger müssen sich in einer Datenbank registrieren, um Cannabis einkaufen zu dürfen. Pro Monat erhalten sie aus Apotheken nicht mehr als 40 Gramm. Die Details für die Regulierung und die Lizensierung übernimmt das neu zu schaffende Institute of Regulation and Control of Cannabis (IRCCA). Der illegale Handel, Schmuggel, Anbau und Verkauf von Cannabis bleibt illegal und wird mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft.
In den vergangen Monaten gab es in vielen Teilen der uruguayanischen Gesellschaften zahlreiche Initiativen, die den Vorschlag unterstützen. In einer nationalen Fernsehwerbung erklärten eine Mutter, ein Arzt und ein Anwalt die Vorteile der Initiative für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit. Regulación Responsable (“verantwortungsvollen Regulierung”), eine Dachorganisation hatte im ganzen Land Diskussionsveranstaltungen durchgeführt. Unter dem Dach von Regulación Responsable fanden sich Orangisationen aus den Bereichen LSBT, Frauenrechte, Gesundheit, Studierende, Umwelt und Menschenrechte zusammen, ebenso wie Gewerkschaftler, Mediziner, Musiker, Anwälte, Sportler, Schriftsteller, Schauspieler und Akademiker.
„Ich fürchte nicht die Drogen, sondern den Drogenhandel […] Ich muss immer mehr Geld für die Polizei, für die Gefängnisse und all die Folgen ausgeben, und dabei fehlt mir das Geld für die Kranken.“ – Präsident José Mujica
Präsidenten Mujica ist Teil eines wachsenden Chors aus aktuellen und ehemaligen führenden Politikern in Lateinamerika, die den Konsumenten von Cannabis eine Alternative zum Schwarzmarkt, auf dem auch gefährlichere Drogen gehandelt werden, bieten wollen. Ebenso wollen sie Cannabis als Medizin verfügbar machen und die Millionen Dollar, die derzeit an Drogenschmuggler gehen, in Bildung, Behandlung und Prävention von problematischem Drogenkonsum stecken. Mit dem Gesetz soll der bestehende Schwarzmarkt mit all seinen negativen Seiten wie Gewalt beseitigt werden.
José María Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), begrüßte die Initivative. Angesicht des Scheiterns des Drogenverbotes könne sie eine wirksame Strategie gegen die Drogenkriminalität darstellen. Im Juli reiste Insulza nach Montevideo, um Präsident Mujica den OAS-Report „Das Drogenproblem in Amerika“ zu überreichen. Dieser plädierte eindeutig für eine Liberalisierung – der Besuch wurde als deutliches Zeichen der Unterstützung der Politik Mujicas durch die Nachbarländer gesehen. In Südamerika stehen durch die Gewalt und die Macht der Drogenkartelle mehrere Staaten vor dem Zusammenbruch.
Am Tag der Abstimmung hatten über 100 NGOs, darunter das International Drug Policy Consortium, einen offenen Brief veröffentlicht, im dem sie zur Annahme des Gesetzes aufriefen. Unsere US-Kollegen von der Drug Policy Alliance waren ebenfalls vor Ort. Hannah Hetzer sagte: “At the heart of the Uruguayan marijuana regulation bill is a focus on improving public health and public safety. […] Instead of closing their eyes to the problem of drug abuse and drug trafficking, Uruguay is taking an important step towards responsible regulation of an existing reality.” Ethan Nadelmann, executive director of the Drug Policy Alliance sagte: “Sometimes small countries do great things […] Uruguay’s bold move does more than follow in the footsteps of Colorado and Washington. It provides a model for legally regulating marijuana that other countries, and U.S. states, will want to consider – and a precedent that will embolden others to follow in their footsteps.”
Im Unterhaus und im Oberhaus hat die Regierungskoalition Frente Amplio (FA, span. Breite Front) mit 50 von 99 bzw. 17 von 31 Sitzen jeweils nur eine Mehrheit von einer bzw. zwei Stimmen. Die Opposition aus Partido Nacional (Konservative, ländlich und kirchlich), Partido Colorado (Liberale, fortschrittlich, städtisch und anti-klerikal) und Partido Independiente (Mitte-Link, sozialdemokratisch) stimmt geschlossen gegen das Gesetz. Bei Legalisierung des Eigenanbaus stimmten 19 Abgeordnete der Opposition mit der Regierung. Wann die Abstimmung im Senat erfolgt, konnten wir noch nicht in Erfahrung bringen.
Seit dem Amtsantritt von Präsident Mujica im Jahr 2009 hat sich Uruguay zu einem Labor für progressive Politik entwickelt. Die kleine Nation mit nur 3,3 Millionen Einwohnern hat ein liberales Abtreibungsgesetz und die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Partner eingeführt und engagiert sich im Bereich der erneuerbaren Energien. In Lateinamerika gibt es nur zwei weitere Länder, in denen Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sind: Kuba und Französisch-Guayana. Das Land gilt als eines der demokratischsten des Kontinents. Transparency International listete Uruguay in Sachen Korruption im Jahr 2012 knapp unter den USA.
Das Ziel sei »nicht die Förderung des Konsums, denn den gibt es ja schon« – Sebastian Sabini, Abgeordneter
Schätzungsweise 120.000 der 3,2 Millionen Bürger Uruguays konsumieren regelmäßig Cannabis. Der Umfang des Marktes wird auf jährlich 20 Tonnen bzw. 23-30 Millionen € geschätzt.
In der letzten Umfrage im Dezember sprachen sich nur 26% der Bevölkerung für die Legalisierung aus, 63% waren dagegen. Mujica legte seine Legalisierungspläne daraufhin auf Eis, um erst einmal für sein Projekt zu werben.
Die Opposition bezeichnete Cannabis als Einstiegsdroge, das Gesetz würde das Schicksal einer ganzen Generation aufs Spiel setzen. Dieses “Spiel mit dem Feuer” sei ohne Erfolgsgarantie. Sollte das Gesetz auch den Senat passieren, will sie versuchen, ein Referendum zu initiieren. Hierfür sind die Unterschriften eines Viertels der Bevölkerung notwendig. Beim Thema Abtreibung gelang ihr dies nicht. Sie bekam nur ein Drittel der benötigten Stimmen zusammen, wobei die Bevölkerung hier mit 52% zu 34% für das Gesetz war.
Die Organisation InSight Crime hat eine umfangreiche Analyse veröffentlicht, wobei einige kleine Änderungen, die erst gestern eingebracht wurden, noch nicht berücksichtigt sind.
Quellen: Der Standard, Drug Policy Alliance, IDPC, Berliner Zeitung, Neues Deutschland, CNN, New York Times, Fox News, The Sun Chronicle, Wikipedia
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