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SPD antwortet auf DHV-Protestmailer

Auch wenn die Antwort lang ist: viel haben die Sozialdemokraten zum Thema Cannabis nicht zu sagen. Wir lassen den DHV-Protestmailer an die SPD jetzt noch eine Woche lang laufen, ihr könnt also bis Ende nächster Woche noch mitmachen!


Zunächst mal ein paar Worte in eigener Sache bzw. zu diesem Absatz, mit dem die Antwort der SPD beginnt:

“vielen Dank für Ihre E-Mail zur Legalisierung von Cannabis, die vom Deutschen Hanfverband als Massenmail verfasst wurde. Der Deutsche Hanfverband ist eine Firma, die zugunsten ihrer teils gewerblichen Sponsoren aus Deutschland und dem Ausland als Lobby für die Legalisierung von Cannabisprodukten wirbt. Wir möchten darauf hinweisen, dass es dabei auch um wirtschaftliche Interessen geht.”

Der DHV hat fast 1.000 private und etwas über 100 gewerbliche Sponsoren. Beiden Gruppen sind vor allem deshalb beim DHV, weil sie davon überzeugt sind, dass die Cannabispolitik grundsätzlich falsch ist und neu ausgerichtet werden muss: Regulierung statt Strafverfolgung. Für die meisten Firmensponsoren würde sich durch eine Legalisierung wirtschaftlich nicht viel ändern. Salopp gesagt: Pfeifen verkaufen sich so oder so, egal ob das Kraut legal ist oder nicht. Sie sind eher beim DHV, um Teile ihrer Kundschaft zukünftig vor Strafverfolgung zu schützen. Einige haben vielleicht tatsächlich ein Interesse daran, nach einer Legalisierung Cannabis zu verkaufen. Aber was soll daran schlecht sein? Besser, die Blüten werden mit kontrollierter Qualität und unter Beachtung des Jugendschutzes von seriösen Händlern verkauft als unter den derzeitigen Bedingungen. Außerdem ist die Schaffung tausender Arbeitsplätze zu erwarten sowie erhebliche Steuereinnahmen. So gesehen geht es selbstverständlich auch um eine wirtschaftliche Betrachtung des Themas.

Aber nun zum sonstigen Inhalt der Antwort.

Legalisierung?

Auch hier zeigt sich wieder: der wesentliche Knackpunkt ist der, dass die SPD davon ausgeht, dass eine Legalisierung zu mehr Konsum führen würde bzw. dass die Repression den Konsum verringert. Dafür gibt es aber keine wissenschaftlich haltbaren Anhaltspunkte. Diese Einschätzung wird vermischt mit einer sehr dramatischen Darstellung der Folgen des Cannabiskonsums, ohne diese in Relation zu Alkohol zu setzen. So kommt die SPD zu dem Schluss, nicht legalisieren zu wollen. Gut, das war zu erwarten.

Entkriminalisierung der Konsumenten?

Interessanter ist daher die Frage, inwieweit die SPD eine weniger harte Verfolgung der Konsumenten mitmachen würde. Aber selbst hierzu nimmt die SPD nicht konkret Stellung. Sie ist zwar für eine bundesweite Angleichung der Regelungen zur Eigenbedarfsmenge, aber von einer liberaleren Regelung ist nicht die Rede. Die SPD beruft sich auf eine Initiative in diese Richtung, die vor allem an der CSU gescheitert sei. Diese Initiative ging von rot-grünen Bundesländern aus. Im Bundestag, wo eine entsprechende Regelung im BtMG verabschiedet werden müsste, hat die SPD aber keinerlei Initiative in diese Richtung gezeigt, jedenfalls nicht in konkreten Anträgen. Trotzdem ist die Antwort sicher liberaler ausgefallen, als sie von der CDU/CSU zu erwarten gewesen wäre. Es scheint zumindest nicht unmöglich, dass mit einer rot-grünen Bundesregierung eine Vereinheitlichung der Regelungen und vielleicht doch auch eine kleine Liberalisierung möglich wäre. (Bzw. auch mit Linken und Piraten etc, auch wenn diese Konstellationen von der SPD nicht angestrebt werden.)

Cannabis als Medizin?

Hier finde ich die Antwort der SPD ernsthaft enttäuschend. Sie ist vollauf zufrieden mit dem “Lex Sativex” bzw. der Einführung von cannabishaltigen Fertigarzneimitteln. Hier wolle die SPD weiter voranschreiten und die Patienten, wo es sinnvoll erscheint, damit versorgen. Der Eigenanbau von Patienten wird rundweg abgelehnt und von Hanfblüten aus der Apotheke ist gar nicht die Rede. In anderen Ländern, in denen Cannabis als Medizin auf dem Vormarsch ist, geht es fast immer (auch) um natürliche Blüten, in Deutschland sollen es Pharmaprodukte sein. Hier geht es der SPD offenbar “auch um wirtschaftliche Interessen”.

Hier der vollständige Text der Antwort:

“Sehr geehrte/r XY, vielen Dank für Ihre E-Mail zur Legalisierung von Cannabis, die vom Deutschen Hanfverband als Massenmail verfasst wurde. Der Deutsche Hanfverband ist eine Firma, die zugunsten ihrer teils gewerblichen Sponsoren aus Deutschland und dem Ausland als Lobby für die Legalisierung von Cannabisprodukten wirbt. Wir möchten darauf hinweisen, dass es dabei auch um wirtschaftliche Interessen geht. Nichtsdestotrotz danken wir Ihnen für Ihr Engagement im Bereich der Drogenpolitik, das uns immer wieder dazu bringt, unsere Positionen neu zu überdenken. Stellvertretend für alle von Ihnen Angeschriebenen antworten wir vom SPD-Parteivorstand auf Ihre Fragen. Die SPD vertritt in der Drogen- und Suchtpolitik die Strategie eines Ausbaus der Prävention und der Aufklärung, um Sucht erst gar nicht entstehen zu lassen. Da die Prävention nicht immer greift, brauchen wir eine starke Suchthilfe, die Süchtige auf ihrem Weg aus der Sucht heraus unterstützt. Als dritte Säule sehen wir Schadensreduzierung und Überlebenshilfe. Dabei geht es darum, Süchtige auch dabei zu unterstützen, notfalls mit der Sucht zu leben, um ihr Überleben zu sichern, was insbesondere den Bereich der Opiatabhängigkeit betrifft. In Regierungsverantwortung hatte die SPD in diesem Sinne für eine Neuorientierung der Drogen- und Suchtpolitik gesorgt. So hatten wir zum Beispiel unter Rot-Grün die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung für schwerstkranke Opiatabhängige als Modellprojekt gestartet, die Möglichkeit für Drogenkonsumräume geschaffen und im damaligen „Aktionsplan Drogen und Sucht“ den Ansatz der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe als eigenständige Säule etabliert. Unsere Cannabispolitik steht unter dem Eindruck, dass laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 525.000 bis 750.000 Menschen in Deutschland einen problematischen Cannabiskonsum aufweisen und etwa 220.000 Menschen hierzulande cannabisabhängig sind. Cannabiskonsum kann schwere psychische und physische Schäden verursachen, insbesondere bei jungen Konsumentinnen und Konsumenten. Vor diesem Hintergrund lehnen wir eine Legalisierung von Cannabis ab. Eine Legalisierung wäre nicht im Sinne der Suchtprävention, denn sie würde zu einer Ausweitung des Cannabisangebotes und damit zu mehr gesundheitsschädlichem Konsum und zusätzlichen Suchtgefahren führen. Generell gilt im Drogenbereich, dass ein größeres Angebot zu zusätzlichem Konsum führt. In anderen Drogenbereichen wie Alkohol, Tabak und Glücksspiel setzen wir uns daher auch für eine Einschränkung der Verfügbarkeit ein. Der aktuelle Mix im Bereich Cannabis aus Aufklärung und Prävention, Suchthilfe und -beratung sowie die Einschränkung des Angebots durch die Strafbarkeit hat in Deutschland zu sinkenden Konsumraten vor allem bei sehr jungen Menschen geführt. So ist laut dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung der Anteil der 12-17-jährigen Jugendlichen, die in den letzten 12 Monaten vor der Befragung Cannabis konsumiert haben, von 9,2 Prozent im Jahr 2001 auf 4,6 Prozent im Jahr 2011 gesunken. Für die SPD stehen Suchtprävention und Jugendschutz im Vordergrund. Wir halten nichts davon, Süchtige und Konsumenten zu kriminalisieren. Die Geringe-Mengen-Regelung, wonach bei geringen Mengen von der Strafverfolgung abgesehen werden soll, unterstützen wir daher. Sinnvoll ist aus unserer Sicht eine Angleichung der bisher in den Bundesländern teils unterschiedlichen Regelungen, um mehr Rechtssicherheit zu geben und bundesweit eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Eine Initiative der SPD zugunsten einer einheitlichen Geringe-Mengen-Regelung scheitert jedoch bisher am Widerstand vor allem der CSU. Hier hatten dies zuletzt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sowie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich abgelehnt. Verbesserungen werden sich in dieser Sache also nur erreichen lassen, wenn die CSU in Bayern sowie die Union auf Bundesebene nicht wieder in Regierungsverantwortung gewählt werden und es stattdessen für rot-grüne Mehrheiten reicht. Diese Entscheidung treffen also letztlich die Wählerinnen und Wähler bei der kommenden Landtags- und Bundestagswahl. Die SPD sieht in Cannabis als Medizin durchaus Potenzial. Wir haben es daher unterstützt, dass Cannabis 2011 in Deutschland zur Herstellung von Arzneimitteln verkehrsfähig wurde und cannabishaltige Fertigarzneimittel verschreibungsfähig geworden sind. Für uns ist allein die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten entscheidend. Durch die gesetzliche Neuregelung können zukünftig zusätzliche Therapiemöglichkeiten erschlossen werden. Die Politik kann und soll aber aus unserer Sicht nicht darüber entscheiden, welche Arzneimittel oder Therapien für die Behandlung welcher Erkrankungen empfehlenswert sind. Dafür haben wir in Deutschland die Gemeinsame Selbstverwaltung aus Ärzten und Krankenkassen sowie ein geregeltes Zulassungsverfahren für Arzneimittel. Dies alles dient der Patientensicherheit. Wir halten es nicht für sinnvoll, für Cannabis als Medizin andere Verfahren vorzunehmen als für andere Arzneimittel. Nicht alle cannabishaltigen Arzneimittel sind automatisch für Patientinnen und Patienten vorteilhaft, einen „Blankoscheck“ lehnen wir daher ab. So wurde zum Beispiel der Zusatznutzen von Sativex als zugelassenes Arzneimittel für eine Zusatztherapie bei Multipler-Sklerose-induzierter Spastik vom Gemeinsamen Bundesausschuss als gering bewertet. Aufgrund der gesetzlichen Verbesserungen werden in Zukunft aber weitere cannabishaltige Fertigarzneimittel auf den Markt kommen und wenn diese ihre Wirkung und ihren Nutzen im gleichen Verfahren wie andere Arzneimittel nachweisen, dann werden sie auch den Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt werden – dafür werden wir uns auch einsetzen. Therapien, die auf im Eigenanbau erzeugtem Cannabis beruhen, lehnen wir ab. Diese Position wurde in einer Sachverständigenanhörung im Deutschen Bundestag zum Thema unterstützt. So hatte zum Beispiel die Bundesärztekammer gewarnt, dass solche Therapien die “Patienten ernsthaft gefährden” könnten. Es wurde unter anderem daraufhin hingewiesen, dass zum Beispiel bei einer Multiplen Sklerose das Rauchen zu einem Entzündungsreiz für Lunge und Bronchien führt und damit statt zu einer Verbesserung zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führt. Dem Antrag der Grünen zu Cannabis konnten wir unter anderem nicht zustimmen, weil dieser keine differenzierten Regelungen enthalten hat und diffus blieb. So sehen wir in der Selbstmedikation nicht die beste Lösung, wenn es um die Gesundheit gehen soll und in dem Antrag ist zum Beispiel keine Obergrenze für den dort vorgesehenen Cannabisanbau genannt. Theoretisch könnte demnach eine ganze Plantage straffrei betrieben werden, wenn der Anbauer nur einen Arzt findet, der ihm dafür eine ärztliche Empfehlung gibt. Das geht so nicht und würde mehr Probleme schaffen als lösen. Wir wollen in Zukunft die Entwicklung von Cannabis als Medizin und die Forschung in diesem Bereich weiter voranbringen. Wir stehen hier noch am Anfang und mit entsprechenden parlamentarischen Mehrheiten werden wir hier sicher in der nächsten Legislaturperiode auch gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen zu Verbesserungen kommen. Mit freundlichen Grüßen aus dem Willy-Brandt-Haus Maike Rocker SPD-Parteivorstand Direktkommunikation”

Mehr zum Thema:

zum Vergleich hier die Antwort der Grünen auf den DHV-Protestmailer “Auch die Grünen jagen Hanffreunde – wie lange noch?”

 
 
 

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HINWEIS

Cannabis ist in Deutschland Legal! (§ 3 CanG)

Der Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass Cannabis mit äußerster Vorsicht zu genießen ist. Bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen sowie mögliche gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabisprodukten.
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