Mittlerweile ist leider klar, dass die Forderung nach einer sofortigen Entkriminalisierung der Konsumenten auf Bundesebene nicht durchsetzbar ist.
Die Ampel will stattdessen “den großen Wurf” mit einem kompletten Gesetzespaket zur Cannabislegalisierung machen. Bis dahin sind noch hunderttausende Strafverfahren gegen Konsumenten zu erwarten – ein kaum zu ertragender Irrsinn! Auch die Bundesländer wollen ihre Möglichkeiten leider nicht ausschöpfen. Dies geht aus den Antworten der Landesjustizministerien auf unser Forderungsschreiben hervor, welche wir hier für euch zusammenfassen.
Hintergrund
Der Bundesdrogenbeauftrage Blienert hat bereits Anfang Juli im Interview mit der Tagesschau deutlich gemacht, dass er die Justizminister der Länder in der Pflicht sieht, die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten abzumildern, bis das Gesetz auf Bundesebene in Kraft tritt.
Die Bundesländer haben zwar nicht die Kompetenz, Strafverfahren zu vermeiden, aber sie könnten relativ einfach und schnell ihren Spielraum bei der Einstellung der Strafverfahren besser nutzen.
Deshalb hatten wir allen verantwortlichen Justizministerien und -senatoren einen Brief geschrieben und gefordert, die “Geringe Menge” Cannabis, bis zu der Strafverfahren eingestellt werden können, zu erhöhen sowie die konsequente Einstellung dieser Verfahren (Soll-Bestimmung) anzuordnen. Derzeit haben die Staatsanwälte in vielen Bundesländern noch einen großen Ermessensspielraum und müssen die Verfahren nicht einstellen (Kann-Regelung).
In unserem Aufruf: Cannabiskonsumenten entkriminalisieren! – Schreibt Briefe an die Justizminister der Länder! haben wir die Hanfcommunity dazu aufgerufen, ebenfalls die Forderung nach Entkriminalisierung zu stellen, und eine entsprechende Vorlage bereitgestellt.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen bedanken, die aktiv geworden und unserem Aufruf gefolgt sind! Solltet ihr aus euren Ministerien weitere Antworten erhalten haben, die hier nicht aufgeführt sind, könnt ihr sie uns gerne zukommen lassen.
Ernüchternde Antworten aus den Bundesländern
Mittlerweile sind bei uns Antwortschreiben aus sieben Bundesländern eingegangen, die insgesamt sehr ernüchternd waren. Einige versuchten sogar, uns für dumm zu verkaufen.
Der Tenor aus fast allen Antworten lautet sinngemäß: Wir warten auf Neuregelungen durch die Bundesregierung. Ergo, man will unserer Forderung – und dem Aufruf des Bundesdrogenbeauftragten – nicht nachkommen. Es scheint überhaupt kein Verständnis dafür vorhanden zu sein, dass es problematisch ist, einen großen Teil der Bevölkerung weiterhin mit Strafrecht zu bedrohen, während langwierig über die Legalisierung diskutiert wird.
Bei einem Land wie Niedersachsen, welches von einer GroKo regiert wird und wo das Justizministerium in den Händen der Union liegt, haben wir solche Antworten zwar erwartet, aber auch von eigentlich progressiv und liberal geprägten Bundesländern wie Thüringen (rot-rot-grün) mit einem grün-geführten Justizministerium fielen die Antworten eher enttäuschend aus.
Sachsen mit einer schwarz-grün-roten Landesregierung hat eine grüne Justizministerin. Diese tat sogar so, als seien ihr die Hände gebunden. Sie behauptete, dass es “rechtswidrig” wäre, landeseigene Verfügungen zur Entkriminalisierung zu erlassen. Dies ist schlichtweg falsch. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die einzigen Bundesländer, die bisher keine solche Regelung zur Entkriminalisierung nach §31a BtMG erlassen haben. Hier wird immer noch jeder Einzelfall geprüft.
Rheinland-Pfalz besitzt mit einer harten Einstellungsvorgabe, also Soll-Bestimmung, bis 10 Gramm zwar schon eine vergleichsweise progressive Regelung; bei einer Ampelregierung und einem FDP-geführten Justizministerium hatten wir allerdings nicht damit gerechnet, einfach abgefertigt zu werden mit einem Zitat aus dem Koalitionsvertrag und dem Hinweis, dass eine Neuregelung zur Cannabisabgabe bislang nicht vorliegt und die Umsetzung somit zunächst abzuwarten bleibe. Auf unsere Forderung ist man gar nicht eingegangen. Immerhin ging es ja genau darum, eine Übergangsregelung zu finden, bis der Bund liefert. Danach sind die Bundesländer sowieso nicht mehr in der Verantwortung.
Auch Hamburg mit einer rot-grünen Landesregierung und grünem Justizministerium schrieb, dass zunächst abgewartet werden sollte.
In Schleswig-Holstein gilt derzeit, dass von mehr als 6 g bis zu 30 g Cannabis ein Verfahren nach richterlicher Prüfung eingestellt werden sollte, darunter verbleibt es in aller Regel bei einem sanktionslosen Absehen von der Strafverfolgung (§ 31a BtMG). Hier erreichte uns eine besonders merkwürdige Antwort, in der man behauptete, dass die im Koalitionsvertrag der Ampel genannte Einführung einer “kontrollierte(n) Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften” keine Vereinbarung für eine “generelle Legalisierung des Umgangs mit Cannabisprodukten” sei. Ob eine Änderung der landeseigenen Richtlinie zur Umsetzung des § 31a BtMG angezeigt ist, sei erst zu entscheiden, wenn feststeht, wie die kontrollierte Abgabe auf Bundesebene gesetzlich umgesetzt wird. Den aktuellen Handlungsbedarf erkennt das CDU-geführte Justizministerium nicht.
Aus Bremen erreichte uns eine erfrischend freundliche und ausführliche Antwort. Hier verwies man auf die gemeinsam mit Thüringen eingereichte Bundesratsinitiative zur Entkriminalisierung und versicherte uns, dass man das Thema bereits auf dem Schirm habe. Bremen hat seit 2020 mit einer Soll-Bestimmung von bis zu 10 und Kann-Bestimmung bis 15 Gramm Cannabis bereits eine der fortschrittlichsten Richtlinien zur Einstellung von Strafverfahren. Wie auch Berlin ist Bremen damit Vorreiter unter den Bundesländern. Aber warum nicht einfach alle Verfahren gegen Konsumenten bis 30 Gramm ohne weitere Prüfung einstellen?
Keines der Bundesländer will dem Aufruf nachkommen, die “Geringe Menge” Cannabis, bis zu der Strafverfahren eingestellt werden können, zu erhöhen sowie die konsequente Einstellung aller Verfahren (Soll-Bestimmung) wegen geringer Cannabismengen anzuordnen. Insbesondere bei CDU-Ministern dürfte das daran liegen, dass sie die Legalisierung grundsätzlich ablehnen. Andere sind vielleicht einfach zu faul, ihre Arbeit zu machen. Lohnen würde sich der überschaubare Aufwand, denn es wird noch mindestens ein Jahr dauern, bis das Legalize-Gesetz auf Bundesebene in Kraft tritt. .Bis dahin werden Cannabiskonsumenten weiterhin sinnlos verfolgt und kriminalisiert und alle drei Minuten wird ein Strafverfahren eingeleitet. Wenn die Länder ihrer Verantwortung nicht nachkommen, die Jagd auf Konsumenten endlich zu beenden, werden weiter enorme Summen an Steuergeldern verschwendet, gesellschaftliche Schäden verursacht und Vertrauen in die Demokratie zunehmend zerstört.
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