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Stellungnahme des DHV zur Anhörung im Bundestag am 17.04.2013

Autorenbild: Eric wrigthEric wrigth

Hier meine Stellungnahme zur Anhörung morgen im Bundestag, vor allem zum Antrag der Grünen zur Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten.

An der Sitzung werde ich als Sachverständiger für den DHV teilnehmen. Möglicherweise werde ich dort gar nicht zu Wort kommen. Immerhin ist mit Ethan Nadelmann von der Drug Policy Alliance ein hochkarätiger Verfechter einer liberalen Drogenpolitik vertreten, der extra aus New York angereist ist und hoffentlich viel Redezeit bekommt.

Stellenweise ist meine Stellungnahme deckungsgleich mit der zur Anhörung zu Cannabis Social Clubs im Januar 2012, sofern ähnliche Fragestellungen betroffen sind.

Die Forderungen der Grünen sind gut und richtig. In großen Teilen sind sie altbekannt, wo es um die Entkriminalisierung der Konsumenten geht. Interessant die Forderung nach einer Evaluierung der deutschen Drogenpolitik “auch unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen”.

Das Bemerkenswerteste am grünen Antrag ist für mich die Forderung, auch die unentgeltliche Abgabe “zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums” zu entkriminalisieren. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, wird von den Grünen nun aber erstmals offensiv in die drogenpolitische Debatte eingebracht. Gleichzeitig machen die Grünen deutlich, dass sie nicht von ihrer Forderung abrücken, Cannabis legalisieren zu wollen, auch wenn es in dem Antrag nur um die Entkriminalisierung der Konsumenten geht. Damit wollen die Grünen nach eigener Aussage eine Übereinkunft mit der SPD erzielen, die den Antrag vermutlich trotzdem ablehnen wird. Die Abstimmung darüber wird aber nicht morgen stattfinden.

Ich finde den Antrag der Grünen insgesamt, inklusive Einleitung und Begründung, sehr gelungen.

Hier meine Stellungnahme, die ich eben an den Bundestag geschickt habe: (Weitere Stellungnahmen anderer Sachverständiger sind hier zu finden.)

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 17. April 2013 – Cannabis entkriminalisieren, internationale Drogenpolitik evaluieren, Methamphetamin bekämpfen – BT-Drucksache 17/9948 + 17/10646zum Antrag der Grünen – Cannabis entkriminalisieren Der Deutsche Hanf Verband teilt die in der Einleitung und Begründung des Antrags dargelegten Feststellungen und Argumente in vollem Umfang. Es handelt sich um eine sehr treffende Analyse der Problemlage und des Handlungsbedarfs. Sind Cannabiskonsumenten in Deutschland entkriminalisiert? Immer wieder wird behauptet, Cannabiskonsumenten seien in Deutschland entkriminalisiert, weil es die „Geringe-Menge-Regelungen“ in den Bundesländern gibt, nach denen Verfahren wegen geringer Mengen Cannabis eingestellt werden können. Die Praxis sieht aber anders aus. Selbst in den Fällen, die wegen geringer Mengen von den Staatsanwälten eingestellt werden, wird zunächst ein Strafverfahren eröffnet. Zum Teil geht das mit einer äußerst unwürdigen Behandlung einher. Menschen müssen sich nicht selten bei Durchsuchungen komplett ausziehen und die Untersuchung ihrer „Körperöffnungen“ über sich ergehen lassen; sie werden beobachtet und überwacht, erleiden Hausdurchsuchungen durch aggressive Polizisten, bei denen Wohnungen auf den Kopf gestellt und nachbarschaftliche Beziehungen auf die Probe gestellt werden, sie werden zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit Fotos und Fingerabdrücken gezwungen. Wer das hinter sich hat, fühlt sich sicherlich nicht entkriminalisiert, auch wenn das Verfahren am Ende eingestellt wird. Solche Maßnahmen sind nicht in allen Regionen Deutschlands üblich und betreffen sicher nicht die Mehrheit der Fälle. Es sind aber auch keine seltenen Randphänomene und in manchen Bundesländern ist so etwas durchaus Alltag. Mehr noch als bei der puren Statistik der Verfahrenseinstellungen und Urteile lässt sich hier die sehr ungleiche Behandlung von Cannabiskonsumenten in den Bundesländern erkennen. Selbst wenn ein Verfahren wegen einer geringen Cannabismenge ohne solche Begleiterscheinungen eingestellt wird, kann ein Strafverfahren für einen ansonsten unbescholtenen Bürger ein einschneidendes Erlebnis sein – bei einer „Tat“, die kein erkennbares Unrecht beinhaltet und keinen Schaden für die Gesellschaft mit sich bringt. Oft werden die Verfahren aber auch bei geringen Mengen nicht eingestellt, z.B. wenn es sich um „Wiederholungstäter“ handelt. Immer wieder erreichen mich Berichte von hohen Geldstrafen für wenige Gramm Cannabis. Wer auf Bewährung ist, muss selbst bei geringsten Mengen mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Mit 100.000 Strafverfahren pro Jahr wegen konsumbezogener Cannabisdelikte (ohne Handel!) wird ein riesiger Aufwand bei Polizei und Justiz betrieben, um harmlose Bürger in Schwierigkeiten zu bringen. Es gibt mehrere Millionen aktuelle Cannabiskonsumenten in Deutschland, ca. 14 Millionen haben bereits Erfahrung mit Cannabiskonsum. Diese Menschen sind keine Kriminellen, sondern ganz normale Leute. Zu den konkreten Forderungen des Antrags: Geringe Menge bundeseinheitlich In der drogenpolitischen Debatte sind sich alle Akteure einig, dass eine bundesweit einheitliche Handhabung sinnvoll und verfassungsmäßig geboten ist. Dieses Ziel wurde m.E. auch 19 Jahre nach dem Urteil des BVerfG nicht erreicht. Diese Meinung ergibt sich nicht nur aus den von den Grünen genannten Untersuchungen, sondern auch aus einer Vielzahl von Betroffenenberichten, die uns regelmäßig erreichen. Das betrifft nicht nur die Ungleichbehandlung im engeren rechtlichen Sinne in Bezug auf die Zahl der Verfahrenseinstellungen und die Definition der „Geringen Menge“, sondern auch die Begleitumstände der Strafverfolgung, s.o. Durch den direkt im BtMG verankerten Wegfall der Strafbarkeit bei klar definierten Mengen zum Eigenverbrauch wäre eine bundesweit einheitliches Vorgehen gewährleistet. Strafbarkeit bei geringer Menge zum Eigenverbrauch soll entfallen Diese Forderung begrüßen wir in vollem Umfang. Nur so kann eine wirkliche Entkriminalisierung der Konsumenten gewährleistet werden. Wer Konsumenten ernsthaft entkriminalisieren will, braucht keine Strafverfahren zu eröffnen oder „Krümel zu konfiszieren“. Und nur so kann nebenbei die Polizei um ca. 100.000 Strafverfahren pro Jahr entlastet werden. Eigenanbau entkriminalisieren + Hanfsamen legalisieren Immer wieder wird von Politikern behauptet, man wolle nicht die Konsumenten jagen, sondern die Handelsstrukturen zerschlagen und der organisierten Kriminalität den Boden entziehen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders unverständlich, dass Konsumenten, die ihre Hanfblüten selbst zu Hause anbauen, besonders hart bestraft werden. Wer selbst anbaut, hat nach der Ernte logischerweise einen größeren Vorrat für die nächsten Monate. Schon deshalb ist das rechtliche Risiko für Selbstversorger erheblich höher. Wer auch nur eine kleine Pflanze zieht, hat praktisch keine Chance, dass das Strafverfahren wegen geringer Menge eingestellt wird. Auch Haftstrafen wegen einiger Pflanzen sind keine Seltenheit. Dabei sind es gerade die Selbstversorger, die dem illegalen Schwarzmarkt Umsatz entziehen und damit auch den zum Teil zwielichtigen Händlern ihre Existenzgrundlage nehmen. Außerdem ist der Eigenanbau für viele Konsumenten die einzige Möglichkeit, sich vor den Streckmitteln zu schützen, die mittlerweile auch den Cannabis-Markt überschwemmen. Wer hart gegen den Anbau weniger Hanfpflanzen zum Eigenkonsum vorgeht, unterstützt damit den illegalen Schwarzmarkt. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der Grünen folgerichtig, den Eigenanbau von Hanf, der im Übrigen sowieso massenhaft stattfindet, zu regulieren. Dies müsste in Einklang mit der dafür zu niedrigen „Geringen Menge“ gebracht werden. Das könnte z.B. über Anbau-Clubs gelöst werden, wie es sie in Spanien und Belgien gibt. Von den dort für die Mitglieder angebauten Pflanzen könnten jeweils immer nur geringe Mengen abgegeben werden. Hanfsamen sind in vielen Ländern der EU legal. Sie werden vor allem für den Anbau weniger Pflanzen zum Eigenanbau genutzt. Große Produzenten verwenden eher Stecklinge. Das Verbot von Hanfsamen richtet sich also vor allem gegen Konsumenten und sollte nicht aufrecht erhalten werden. Unentgeltliche Abgabe zum gleichzeitigen und gemeinsamen Konsum Cannabis wird sehr häufig gemeinsam konsumiert, wie wir es auch von Alkohol kennen. Die unentgeltliche Abgabe an Freude ist dabei vergleichbar mit der Situation, in der ein Gastgeber beim gemeinsamen Fußball-Gucken ein Bier ausgibt. Meist spendiert dabei mal der eine, mal der andere ein Bier – oder eben einen Joint. Diesen Tatbestand mit aus der Kriminalisierung herauszunehmen, ist sinnvoll und überfällig. Ich würde noch weiter gehen und auch die Abgabe von Cannabis an Freunde mit herauszunehmen, wenn sie nicht zum gleichzeitigen und gemeinsamen Konsum dient, sofern sie nicht gewinnorientiert ist. Solange Cannabis nicht in Fachgeschäften für Erwachsene erhältlich ist, sondern nur auf dem Schwarzmarkt, wird es übliche Praxis bleiben, dass „man sich gegenseitig etwas mitbringt“. Solange die Hanfprodukte dabei zum Einkaufspreis weitergereicht werden, kann wohl kaum vom „Handel“ die Rede sein. Dies ist übliche Praxis bei Millionen Cannabiskonsumenten. Evaluation des Betäubungsmittelrechts Das ist längst überfällig. Die drogenpolitische Debatte in Deutschland wird erstaunlich faktenfrei und dafür hoch emotional geführt. So gibt es z.B. in Deutschland keinerlei Untersuchung darüber, ob das Verbot von Cannabis überhaupt einen konsumreduzierenden Effekt hat und was die „Durchsetzung“ kostet. Umgekehrt weiß niemand genau, welche Streckmittel z.B. für Hanfblüten genutzt werden und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit der Konsumenten haben. Es wird Zeit, Bilanz zu ziehen! Zum Antrag der SPD – Methamphetamin Hierauf möchte als als Vertreter des Deutschen Hanf Verbandes nur kurz und eher grundsätzlich eingehen. Was die Ausweitung präventiver Maßnahmen angeht, sind die Forderungen der SPD sinnvoll, sofern es sich um Präventionsmaßnahmen handelt, die sich durch gründliche Evaluation als wirksam erweisen. Die Ausweitung repressiver Maßnahmen halte ich auch hier für wenig hilfreich, ebenso wie bei den im Antrag angesprochenen Legal Highs. Es wird Zeit, dass wir uns eingestehen, dass die Prohibition als ganzes bei den heute verbotenen Drogen ebenso gescheitert ist, wie es in den 20er Jahren in den USA bei der Alkoholprohibition war. Auch damals gab es keine messbaren positiven Ergebnisse, aber viele negative Begleiterscheinungen. Die Entstehung von Gangster-Syndikaten und tödlich gepanschter Schnaps waren die Folgen. Drogenverbote haben m.E. sogar zur Verbreitung von Methamphetamin beigetragen. Auch für leistungssteigernde Substanzen wird es immer eine Nachfrage geben. Vor gut 10 Jahren gab es noch eine legale pflanzliche Alternative, nämlich Ephedra/Meerträubel, die Droge der Mormonen. Es wirkt etwas stärker als Koffein, aber deutlich harmonischer, weniger langanhaltend und auslaugend als Amphetamin und erst recht Methamphetamin. Im Zuge einer Verbotswelle pflanzlicher Genussmittel wurden damals viele vergleichsweise unbedenkliche Drogen verboten. Auf einem Schwarzmarkt werden tendenziell leicht herzustellende und vor allem stark wirksame Substanzen gehandelt (kleines Volumen pro Konsumeinheit, hohe Gewinnspanne). Ich bin der Meinung, dass weniger „Crystal“ und Amphetamin konsumiert würde, wenn Ephedra noch erhältlich wäre. Dass das unter Hitler in der Wehrmacht massenhaft verteilte Methamphetamin ein kleines Comeback feiert, hat deshalb m.E. eher mit zu viel als zu wenig Repression zu tun. Eine Gesellschaft lässt sich nicht als Ganzes zwingen, dass ausschließlich Kaffee, Tabak und Alkohol konsumiert werden darf. Wenn es keine legal erhältlichen Alternativen und damit Auswahlmöglichkeiten gibt, wird es immer einen erheblichen Anteil der Bevölkerung geben, der auf „andere Angebote“ ausweicht, die verfügbar sind. Und das sind im jetzigen System eben nicht unbedingt die verträglichsten Substanzen. Das gilt erst recht für das Phänomen der Legal Highs mit seiner unüberschaubaren Vielzahl unerforschter Substanzen. Auch der noch stärkere Einsatz von Polizei und Strafverfolgung und noch mehr Inhaftierte werden daran nichts ändern. Tendenziell werden dadurch nur der Konsum gesundheitsschädlicherer Substanzen und die Verbreitung von Streckmitteln sowie kriminelle Strukturen gefördert. Es wird Zeit für ein grundsätzliches Umdenken in der Drogenpolitik!
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