skurrile Bekämpfung der Lotto-Sucht
- Eric wrigth
- 7. Apr. 2009
- 2 Min. Lesezeit
Immer “konsequenter” wird gegen alle möglichen und “neuen” Süchte vorgegangen.
Ein Glücksspielstaatsvertrag sorgt nun für ulkige Suchtprävention.
Dieser Glücksspielstaatsvertrag setzt strenge Grenzen in Sachen Werbung und Jugendschutz.
Einerseits ist es ja schick, dass die da oben mittlerweile auch die Alltagssüchte als solche begreifen und nicht nur illegale Drogen als Problem ansehen. Was allerdings gegen die Sucht getan werden soll, mutet schon absurd an:
Langsam hat Martin Müller wirklich genug. Er betreibt im Südwesten Berlins seit fast zehn Jahren eine Lottoannahmestelle und bekommt von der Lottozentrale bald täglich neue Anweisungen, welche Werbematerialien er umgehend entfernen muss. Der Aufsteller mit dem Motiv “Viel Glück” müsse weg, steht darin, außerdem solle die Pappe mit dem Text “Horoskop-Spielscheine” entfernt und vernichtet werden. Auch die Osterdisplays muss Müller, der anders heißt und seinen tatsächlichen Namen nicht in der Zeitung lesen will, zurückgeben. Die roten Papierzahlen für das Jackpot-Plakat darf er auch nicht mehr verwenden. Im Austausch dafür erhalte er schwarze, steht auf der Mitteilung, die sein Lotto-Terminal ausgespuckt hat. Blinkende Werbung verboten “Die Leuchttafel mit der blinkenden Jackpot-Summe musste ich schon im September abnehmen, dann durfte man sie wieder aufhängen, aber sie durfte nicht mehr blinken. Ende März wurde sie durch eine Stecktafel ersetzt, wo man von Hand die Zahlen reinsetzt, und das im 21. Jahrhundert”, klagt Müller, der das alles nur noch absurd findet und seinen Lotto-Laden wegen des ganzen Theaters verkaufen will. Berliner Zeitung, 04.04.09
Ganz knapp wurde noch abgewendet, dass neben Tippscheinen keine Süßigkeiten mehr angeboten werden dürfen. Es gab sogar schon eine dahingehende vorläufige Verfügung des Landgerichtes. Ein lesenswerter Kommentar in der Berliner Zeitung dazu:
Das zerstörerische Potenzial der Lotto-Sucht ist bisher brutal unterschätzt worden. Viel zu lange achtete keine Behörde auf die Tausenden von DKL-Junkies, die sich immer zum Wochenende, angetan mit allen Entzugssymptomen von Übernächtigung bis Abgemergeltheit, zu den Annahmestellen schleppten, um mit zitternder Hand den Stift auf den neuen Lottobogen zu setzen … (Zum angestrebten Schokolade-Verbot bei den Wettscheinen:) Ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf dem Weg, die seelische und körperliche Gesundheit der Bevölkerung wieder herzustellen: Geht doch die Theobromin-Abhängigkeit (das ist das Teufelszeug im Kakao) regelmäßig einher mit der Gier nach Glück und Reichtum. (Fazit:) Niemand soll sich wundern, wenn bald Berlins einzige Lotto-Annahmestelle im Vorzimmer des (fachlich zuständigen) Innensenators eingerichtet wird – zur effektiven Suchtbekämpfung. Zum Tippen mitzubringen sind dann ein Führungszeugnis ohne Makel sowie ein ärztliches Attest, seit mindestens 48 Stunden keinen Alkohol und keine Schokolade mehr angerührt zu haben. Dafür lebt man dann ja auch länger.
Die Berliner Lottogesellschaft will aber “alle Rechtsmittel ausschöpfen, damit Lotto weiter attraktiv bleibt. Denn sonst könne man den staatlichen Auftrag nicht erfüllen, ein ausreichendes Glücksspielangebot bereitzustellen.”
Krass oder? Da verlangt der Staat einerseits, dass die Werbung für Lotto nicht rot, sondern schwarz ist und verteilt gleichzeitig den Auftrag, “ein ausreichendes Glücksspielangebot bereitzustellen”.
Wann verteilt der Staat endlich den Auftrag, ein ausreichendes Cannabisangebot bereitzustellen? Ich könnte auch damit leben, wenn die Preisliste nicht blinken darf.
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