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AutorenbildEric wrigth

Koalitionsvertrag in Niedersachsen: Kleinstmöglicher Fortschritt für Hanffreunde

SPD und Grüne haben sich in Niedersachsen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Parteien wollen sich “für eine bundeseinheitliche Eigenbedarfsgrenze für den Besitz geringer Mengen von Cannabis einsetzen” und einen “Drug-Checking”-Modellversuch starten. Der DHV hat in seinem Forum eine Umfrage gestartet, ob es eine weitere Email-Aktion an die Grünen geben soll.

Der komplette Text in Bezug auf Drogenpolitik lautet wie folgt:

Die rot-grüne Koalition wird sich zur Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit und zur Entkriminalisierung nicht strafwürdigen Verhaltens für eine bundeseinheitliche Eigenbedarfsgrenze für den Besitz geringer Mengen von Cannabis einsetzen. Die rot-grüne Koalition wird die Politik zur Bekämpfung von Drogenmissbrauch und Sucht neu ausrichten. Sie wird das Netz der Drogen- und Suchtberatung erhalten und einen weiteren Schwerpunkt bei stoffungebundenen Suchtformen wie der Onlinesucht und der Spielsucht insbesondere bei Jugendlichen setzen. Das umfasst auch die Aufklärungsarbeit zu den Gesundheitsgefahren psychotropher Substanzen einschließlich eines Modellversuchs „Drug-Checking-Angebote“. Die rot-grüne Koalition wird den regionalen Zugang zu Methadon- und Diamorphinbehandlung ermöglichen. Deshalb wird sie sich auf der Bundesebene für eine Reform des Betäubungsmittelgesetzes einsetzen. Sie wird die Substitutionsbehandlung sowie die Drogen- und Suchtberatung im Strafvollzug reaktivieren. Dazu gehört auch die Bereitstellung steriler Hilfsmittel.

Zunächst mal zu den erfreulichen Teilen:

  1. Der konkrete Zugang zu Methadon- und Diamorphinbehandlung vor Ort ist ein heißes Eisen und es ist richtig und überfällig, hier vorwärts zu kommen. Das gleiche gilt für Maßnahmen der Schadensminimierung im Knast incl. Substitution und Spritzenvergabe.

  2. Auch für das Thema Drug-Checking könnte der Vertrag ein entscheidender Durchbruch sein. Niedersachsen war hier schon früher Vorreiter, bis 2004 gab es in Hannover ein Drug-Checking-Projekt. Seitdem schaut Deutschland seinen Nachbarn Schweiz, Österreich und den Niederlanden tatenlos bei ihren erfolgreichen Programmen zu. Seit Jahren versucht eine Initiative, das Thema in Deutschland wieder in Gang zu bringen. Bisher geht es beim Drug-Checking vor allem um Partydrogen, aber mit der zunehmenden Verbreitung von Streckmitteln in Cannabis dürfte das Thema auch für Hanffreunde relevant werden. Da auch Schleswig-Holstein Drugchecking im Koalitionsvertrag hat, kommt eine Umsetzung jetzt vielleicht langsam in greifbare Nähe.

Der konkrete Fortschritt in Sachen Hanfpolitik ist aber wieder einmal minimal. Die bundesweite Vereinheitlichung der geringen Menge ist zwar sinnvoll. Aber dass keine Anhebung der geringen Menge in Niedersachsen verabredet wurde, ist schon sehr schwach. Rot/Grün in NRW hatte die geringe Menge von 6 auf 10 Gramm angehoben. Auch nicht gerade revolutionär, zumal dieser Wert vor der CDU-Regierung in NRW schon einmal galt. In Schleswig-Holstein hatte sich Rot/Grün zwar nicht auf eine konkrete Menge, aber auf eine Anhebung geeinigt. Auch das ist noch lange nicht in trockenen Tüchern, aber immerhin wurde die Anhebung konkret vereinbart. Nur in Baden-Württemberg hat die Grün/Rote Koalition in Sachen Cannabispolitik bisher völlig versagt. Nun also Niedersachsen ohne eine Aussage zur Anhebung der geringen Menge.

Diese Aussage zu Cannabis lässt keine grüne Handschrift erkennen. Eine bundesweite Vereinheitlichung zur Entkriminalisierung der Konsumenten wird auch von der SPD auf Bundesebene angestrebt, ohne eine konkrete Menge zu nennen. Auch diese Forderung findet sich in Schleswig-Holstein, so dass sich vielleicht tatsächlich mit der Zeit eine einheitliche Regelung ergeben wird. Das kann aber noch ewig dauern und welche Mengen und welche Bedingungen für die Einstellung der Verfahren dabei herauskommen, steht in den Sternen. Was bleibt, ist vor allem schöne Prosa: “Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit” und “Entkriminalisierung nicht strafwürdigen Verhaltens” – in Bezug auf den Besitz geringer Cannabis-Mengen. Dahinter steckt schon eine ganz andere Haltung als die der früheren CDU-Regierung. Aber warme Worte verhindern eben keine Geldstrafen für kleine Cannabismengen. Die Anhebung der geringen Menge z.B. von 6 auf 10 oder 15 Gramm ist zwar auch nur ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber wenn noch nicht einmal der gegangen wird, kann von Fortschritt eigentlich keine Rede sein.

Der Vorgang zeigt einmal mehr, wie quälend langsam die Liberalisierung in der Cannabispolitik voran schreitet, selbst wenn eine eher hanffreundliche Partei wie die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Sicher, der Bremsklotz war wieder einmal eher die SPD, die es noch nicht einmal für nötig hielt, den fast 1.000 Teilnehmern der DHV-Email-Aktion im Vorfeld der Verhandlungen zu antworten oder etwas zu dem Thema ins Wahlprogramm zu schreiben.

Aber die Grünen wollten offensichtlich bei den Verhandlungen eher Zusammenhalt mit der SPD demonstrieren als für ihre Inhalte kämpfen, denn die Beratungen wurden schnell und reibungslos geführt. Die Grünen hatten auf den DHV-Protestmailer vor den Verhandlungen geantwortet: “Die Botschaft wurde von uns verstanden!” – und darum gebeten, die Email-Aktion zu beenden.

Wir erwägen nun, eine weitere Email-Protest-Aktion gegen die Grünen zu starten, denn mit diesem lauen Ergebnis können wir nicht zufrieden sein. Diese Frage stellt der DHV deshalb in seinem Forum zur Diskussion und zur Abstimmung.

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