Gewerkschaft der Polizei blamiert sich mit Tagung: “Den Joint nicht schön reden”
- Eric wrigth
- 6. Okt. 2015
- 6 Min. Lesezeit
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) organisiert am 07. und 08. Oktober ein Symposium zur Drogenpolitik, auf dem nicht diskutiert werden soll. Neben dem Chef des Bundeskriminalamtes werden für das nach GdP-Angaben “hochkarätig besetzte Drogensymposium” als einzige Referenten Herr Thomasius und Frau Mortler genannt. Kritische Stimmen werden ausgeschlossen. Es gibt Proteste auf Facebook und einen offenen Brief des neuen LEAP-Vorsitzenden Hubert Wimber.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) hat im letzten Jahr vorgemacht, wie man sich ernsthaft mit der aktuellen drogenpolitischen Debatte auseinandersetzt. Auf einer mehrtägigen Fachtagung wurden sowohl Gegner als auch Befürworter der Legalisierung ausführlich angehört und die jeweiligen Positionen diskutiert. Unter vielen anderen Gästen waren auch mein Kollege Maximilian Plenert und ich im Programm vertreten. Unter dem Motto “Der aussichtslose Kampf gegen Drogen – Ist Legalisierung die Antwort?” ging die Diskussion deutlich über die Cannabisfrage hinaus. Der BdK hat sich (noch) nicht dazu durchgerungen, Cannabis legalisieren zu wollen, aber die Jagd auf einfache Konsumenten wird sehr kritisch gesehen.
Und nun kommt die GdP mit einem Drogensymposium, das man wohl nur als bizarre Veranstaltung bezeichnen kann. Auf der Homepage der GdP ist keine Information dazu zu finden. Aber auf der Facebook-Seite des GdP-Vorstandes gab es bis Samstag noch ein Posting dazu. Das Symposium diene dazu, vor der “gefährlichen Verharmlosung des Cannabiskonsums” zu warnen. Von daher passt natürlich die extrem einseitige Besetzung der Veranstaltung mit Mortler und Thomasius:
…Rufe nach einer Legalisierung dieser sogenannten weichen Droge werden unterdessen immer lauter. Diesen Forderungen erteilt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nach wie vor eine klare Absage. n einem hochkarätig besetzten Drogensymposium am 7. und 8. Oktober in Berlin will die GdP vor der aus ihrer Sicht gefährlichen Verharmlosung des Cannabiskonsums warnen. So werden der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) Holger Münch, Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, sowie Prof. Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalter am Hamburger Universitätsklinikum, mit Lageberichten, Einschätzungen und Fachvorträgen die Debatte der rund 100 bundesweit angereisten GdP-Kriminalpolizistinnen und -polizisten einleiten. „Der Joint darf nicht schön geredet werden. Eine Freigabe ist angesichts erwiesener Risiken durch deutlich höhere Wirkstoffgehalte das falsche Signal. … Zum „Drogensymposium 2015“ der Gewerkschaft der Polizei laden wir Sie herzlich ein.
Nachdem wir das Posting auf der DHV-Facebook-Seite geteilt und dazu aufgerufen hatten, den Eintrag (freundlich) zu kommentieren, sind innerhalb weniger Stunden über 100 kritische Kommentare bei der GdP eingegangen. Daraufhin löschte die GdP kurzerhand diese Ankündigung und ersetzte sie durch einen neuen Beitrag, in dem es nun heißt:
Entgegen der vielfach in Facebook geäußerten Vermutung, ist das Ziel dieser Veranstaltung NICHT, die sog. Cannabis-Legalisierung zu diskutieren. Zu diesem Thema hat der Bundeskongress der GdP bereits im Jahr 2014 den folgenden Beschluss gefasst: “Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht sich auch weiterhin gegen Legalisierungstendenzen im Zusammenhang mit Besitz und Erwerb von Betäubungsmitteln auch im Bereich sogenannter weicher Drogen aus. Der Bundesvorstand wird beauftragt, die drogenpolitischen Grundsatzpositionen der GdP im Rahmen eines Symposiums zu diskutieren und fortzuentwickeln, dabei sind Aspekte der Prävention vorrangig zu beleuchten.”
Von Fortentwicklung kann aber offenbar nicht die Rede sein, es geht einzig und allein darum, die alte repressive Haltung der GdP zu zementieren und jede Diskussion in den eigenen Reihen abzuwürgen. Dazu passt auch, dass die Veranstaltung abgeschottet wird. Im oben genannten zweiten Posting heißt es weiter:
Das Symposium ist eine Veranstaltung, zu der angemeldete GdP-Mitglieder und Journalistinnen und Journalisten Zugang haben.
Dementsprechend wurde auch dem bekannt prohibitionskritischen Jugendrichter Andreas Müller der Zugang zu der Veranstaltung verweigert. Ich selbst habe mich als Journalist angemeldet (ja, ich besitze einen Presseausweis..), aber keinerlei Rückmeldung von der GdP erhalten, obwohl ich um die Zusendung weiterer Informationen gebeten habe. Auch ich bin offensichtlich unerwünscht, selbst in meiner Funktion als Journalist.
Polizisten, die selbst keine Lust mehr haben, ständig hinter den paar Gramm Hanfblüten harmloser Konsumenten herzulaufen, oder gar der Meinung sind, dass ein kontrollierter und geregelter Markt besser wäre als der aktuelle Schwarzmarkt, sind bei der GdP nicht gut aufgehoben. Sie sollten sich beim GdP-Vorstand beschweren oder über Alternativen nachdenken. Wie wäre es mit einer Mitgliedschaft bei der neu gegründeten Organisation LEAP, “Law Enforcement Against Prohibition”? Interessenten mögen sich per Email bei Hubert Wimber melden. Die starre Haltung der GdP erzwingt geradezu den Aufbau anderer Strukturen. Oder wie wäre es mit einer Mitgliedschaft im Bund Deutscher Kriminalbeamter? Da darf man wenigstens diskutieren…
Hier der offene Brief des ehemaligen Polizeipräsidenten von Münster und neuen LEAP-Vorsitzenden, Hubert Wimber, an die Führung der GdP in voller Länge:
Lieber Herr Bundesvorsitzender, sehr geehrter Herr Malchow, Nach unserer letzten Begegnung anlässlich meiner Verabschiedung am 1. Juni in Münster und der gegenseitigen Versicherung, dass unser persönliches Verhältnis immer von Akzeptanz und Wertschätzung getragen war, erlaube ich mir nun ein deutliches Wort der Kritik an der Position der GdP zur Drogenpolitik. Ich habe eher durch Zufall erfahren, dass die GdP in Umsetzung eines Beschlusses des Bundesdelegiertentages vom letzten Jahr am 7. und 8. Oktober 2015 in Berlin ein Drogensymposium plant. Auf der Facebook-Seite des Bundesvorstandes wird diese Veranstaltung mit dem Titel „Den Joint nicht schön reden“ angekündigt. Sie wollen mit Ihrem, wie Sie selbst sagen, „hochkarätig besetzten“ Drogensymposium vor der aus Ihrer Sicht gefährlichen Verharmlosung des Cannabiskonsums warnen und dieser Verharmlosung „eine klare Absage erteilen.“ Konsequenterweise haben Sie offenkundig mit der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler, dem BKA-Präsidenten Holger Münch und Prof. Thomasius auch nur die Referenten eingeladen, die in der Fachdiskussion um die Entkriminalisierung und Regulierung des Drogenmarktes zu der immer kleiner werdenden Gruppe der Prohibitionsbefürworter zählen und die GdP in ihrer vorgefassten Meinung bestärken sollen. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass die beiden Konkurrenzgewerkschaften innerhalb der Polizei, insbesondere der Bund Deutscher Kriminalbeamter, in der notwendigen drogenpolitischen Diskussion angesichts des Scheiterns einer repressiven Drogenpolitik und der sinnlosen Arbeit vieler Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter in knapp 210.000 strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik des BKA für das Jahr 2014, die sich gegen Drogenkonsumenten richten, mittlerweile eine deutlich differenziertere Auffassung vertreten als die GdP. Besonders ärgerlich ist der von der Bundesdrogenbeauftragten und nunmehr offenkundig auch von der GdP erhobene Vorwurf, die Prohibitionskritiker würden die von illegalen Drogen ausgehenden Gefahren verharmlosen. Wenn man denn wirklich deren Argumente zur Kenntnis nehmen würde, käme man ohne weiteres zu dem Ergebnis, dass das genaue Gegenteil richtig ist. Ich verweise hier beispielhaft auf den Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, auf die von der Mehrheit der deutschen Strafrechtsprofessoren unterzeichnete Resolution des Schildower Kreises, in der im Übrigen wie ich finde zu recht deutliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der strafrechtlichen Normen des BtMG auf der Grundlage des heutigen Wissenstandes erhoben werden sowie aktuell auf das Positionspapier des Arbeitskreise Drogenpolitik innerhalb der SPD, das am 9. September 2015 von der Friedrich-Ebert- Stiftung unter dem Titel „Von Repression zu Regulierung“ veröffentlicht worden ist. Nun mag man sicherlich über die Frage streiten können, ob, unter welchen Bedingungen und für wen regelmäßiger Cannabiskonsum schädlich sein kann. Aber auch dieser Diskussion geht die GdP aus dem Weg, indem sie völlig undifferenziert diese Schädlichkeit entgegen dem Forschungsstand einfach unterstellt. Ich gestatte mir noch den Hinweis, dass der von mir persönlich sehr geschätzte Prof. Thomasius auch in der Gruppe der Suchtherapeuten mittlerweile eine Minderheitenmeinung vertritt. Sie müssten als Polizisten eigentlich wissen, dass kriminelle Märkte weder einen Jugendschutz noch eine Produktkontrolle kennen und es deren innerer Logik entspricht, Drogenkonsumenten durch Beimengungen und immer neue „Drogencocktails“ in Abhängigkeit zu halten. Genau diese negativen Auswirkungen des kriminellen Drogenmarktes mit erheblichen sozialen und gesundheitlichen Risiken für Konsumenten wollen wir mit unserer Forderung nach Entkriminalisierung und Regulierung vermeiden. Die GdP beklagt jedoch einerseits die Folgen einer repressiven Drogenpolitik für deren Beibehaltung sie andererseits ganz offenkundig eintritt. Und noch eins. In vielen Gesprächen mit Kollegen aus Mittel- und Südamerika in den letzten Monaten ist mir klar geworden, dass die USA und Europa und damit auch wir in Deutschland als Hauptabsatzmärkte für illegale Drogen eine erhebliche Mitverantwortung an den durch die organisierte Drogenkriminalität begangenen unbeschreiblichen Menschenrechtsverletzungen in den Anbau- und Transitländern haben. Auch hier hat eine über Jahrzehnte mit zum Teil militärischen Mitteln operierende repressive Drogenpolitik nicht zu einer Verbesserung sondern zu einer Verschlechterung der Menschenrechtssituation beigetragen. Mit der überaus einseitigen Ausrichtung des Drogensymposiums hat sich die GdP aus dem Kreis ernst zu nehmender Akteure in der aktuellen drogenpolitischen Diskussion verabschiedet. Dies ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich. Lieber Herr Malchow, wir haben am 10. September in Berlin die deutsche Sektion von „Law Enforcement against Prohibition (LEAP)” gegründet. Als Zusammenschluss von aktiven und ehemaligen Mitarbeitern in Strafverfolgungsbehörden setzten wir uns für eine Alternative zu der nach unserer Auffassung gescheiterten prohibitiven Drogenpolitik ein. Falls Sie sich für unsere Arbeit interessieren sollten, stehe ich Ihnen natürlich jederzeit als Gesprächspartner zur Verfügung. Über eine Kontaktaufnahme Ihrerseits würde ich mich freuen. Ich habe mir erlaubt, eine Kopie dieses Schreibens weiteren Gründungsmitgliedern von LEAP Deutschland zur Verfügung zu stellen. Mit freundlichen Grüßen Ihr Hubert Wimber
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