Endlich gibt es erste Anzeichen dafür, dass sich auch die SPD wieder für eine weitergehende Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten einsetzen will.
In den 90ern, vor der ersten Rot/Grünen Bundesregierung, gab es schonmal vernünftige Anträge und Äußerungen der SPD-Fraktion im Bundestag. Danach hat sich die SPD aber eher zur Repressionspartei entwickelt, mit Schröder und Schily leider auch während der Rot/Grünen Koalition. In etlichen Bundesländern hat die SPD um 2007 herum mit für die Absenkung der “geringen Menge” und damit für eine verschärfte Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten gesorgt, etwa in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.
Dieses Jahr wurden entsprechende Verschärfungen allerdings in Rheinland-Pfalz und NRW unter Rot/Grün wieder zurückgenommen.
Nun kommt auch langsam etwas Bewegung in die Bundes-SPD. Schon im letzten Jahr hatten sich zwei SPD-Abgeordnete (Eva Högl, Daniela Kolbe) in ihren Antworten auf einen Brief des DHV für Legalisierung bzw. Entkriminalisierung ausgesprochen. Die Fachpolitikerinnen der Fraktion hatten damals aber noch sehr zurückhaltend geantwortet. Die drogenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Angelika Graf, sprach immerhin davon, die SPD-Fraktion erkenne einen gesellschaftlichen Wandel in der Frage und man wolle eine bundesweit einheitliche Regelung.
In diesem Jahr gehen die SPD-Fachpolitikerinnen ein Schrittchen weiter und sprechen sich für ein wenig mehr Entkriminalisierung aus. Angelika Graf schreibt am 16.02.2012 in ihrer Pressemitteilung “Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik enthält zu wenig wirkungsvolle Maßnahmen”:
Die Drogen- und Suchtstrategie der Bundesregierung beschreibt und lobt im Wesentlichen den Ist-Zustand, der jedoch aus der Politik der Vorgängerregierungen resultiert. Es gibt keinerlei neue Impulse für die Drogen- und Suchtpolitik. Es ist die Rede vom “Prüfen” und es gibt unverbindliche und unkonkrete Forderungen nach “strengen” Regeln und “Verbesserungen”. Das reicht aber nicht aus. Wenn das überhaupt eine Strategie ist, dann lässt sich diese bestenfalls als Strategie des Aussitzens bezeichnen. […] Die Strategie sieht keinen Ausbau der Entkriminalisierung Süchtiger und der Schadensreduzierung vor. Die bundesweit überfällige einheitliche Regelung der “geringen Menge” bei der Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten kommt gar nicht vor.
Eine solche Aussage von der SPD ist ein kleiner Fortschritt, solche Äußerungen haben wir seit über 10 Jahren nicht mehr von SDP-Fachpolitikern auf Bundesebene gehört. Schon in der Pressemitteilung anlässlich der Cannabis-Anhörung im Bundestag, ebenfalls von Angelika Graf, war zu lesen:
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich seit Jahren für eine Entkriminalisierung Süchtiger ein. Eine Legalisierung von Drogen ist aber etwas anderes als die Entkriminalisierung der Süchtigen. Im Bereich von Cannabis wollen wir eine bundeseinheitliche Geringe-Mengen-Regelung. Viele Experten haben sehr deutlich gemacht, dass bei der Strafverfolgung des Eigenkonsums Handlungsbedarf besteht. Die Regelungen in den Ländern sind zum Teil unterschiedlich und die Verurteilungen in den jeweiligen Gerichtsbezirken unterscheiden sich zum Teil erheblich. Die SPD-Bundestagsfraktion wird daher eine Initiative für eine bundeseinheitliche Regelung starten.
(Was Graf damit meint, die SPD setze sich seit Jahren für eine Entkriminalisierung ein, bleibt rätselhaft, bisher hat die Fraktion hier keinen Handlungsbedarf gesehen und die aktuellen Regelungen verteidigt, insbesondere die SPD-Drogenbeauftragten Caspers-Merk und Sabine Bätzing.)
Ähnlich äußerte sich Dr. Carola Reimann, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses:
Wir wollen keine Legalisierung, aber wir wollen sehr wohl eine Entkriminalisierung der Konsumenten. Deshalb haben wir diese rechtliche Konstruktion. Was die straffreie Menge des Besitzes angeht, das ist leider in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Wir würden da sehr für eine bundeseinheitliche Regelung plädieren. Das heißt, wir verharmlosen es nicht, aber wir sehen davon ab, die Leute, die es konsumieren, gleich strafrechtlich zu verfolgen. Das verstehen wir unter Entkriminalisierung.
Das Bekenntnis allein zur Entkriminalisierung der Konsumenten muss noch keine Liberalisierung bedeuten, die Bundesregierung ist ja auch der Meinung, Cannabiskonsumenten seien durch die geringe-Menge-Regelung bereits entkriminalisiert. Auf abgeordnetenwatch.de geht Reimann aber weiter und bringt die Menge von 15 Gramm ins Spiel:
Gemeinsam mit der drogenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Angelika Graf, versuche ich auf eine Entkriminalisierung von Konsumenten hinzuarbeiten. Deshalb plädieren wir auch für eine bundeseinheitliche Regelung im Bezug auf die straffreie Menge des Besitzes. Wir wollen uns hierbei an der Obergrenze Berlins, Hamburgs und Niedersachsens von bis zu 15 Gramm orientieren.
Und das wäre dann doch schon ein klarer Schritt in die richtige Richtung. Die Regulierung der “geringen Menge” ein paar Gramm rauf oder runter ist zwar nicht gerade ein gewaltiger Schritt mit dem Hanffreunde zufrieden sein können, aber hier geht es erstmal um die Frage, in welche Richtung es weitergehen soll.
Die Meinung, dass Cannabiskonsumenten umfassender als heute entkriminalisiert werden sollten, hat sich in der SPD-Fraktion von einer Einzelmeinung zur Marschrichtung der Fachpolitikerinnen entwickelt. Eine Mehrheitsmeinung in der SPD-Fraktion scheint das aber noch nicht zu sein. Wir wünschen viel Erfolg bei den kommenden Diskussionen…
(Dieser Beitrag wurde von Maximilian Plenert und Georg Wurth verfasst.)
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