Ciro hat seinen schönen alten Käfer in liebevoller Kleinarbeit zum Hanf-Mobil umgestaltet. Zur Hanfparade war er damit in Berlin.
Mitte Juni hatte ich hier im Blog über Ciros Käfer berichtet. Die Reaktionen waren sehr positiv. Verschiedene Sprüche, Argumente und Links für Legalisierung zieren das Hanf-Mobil. Auch das DHV-Logo hat Ciro auf dem Käfer. So entstand die Idee, Ciro mit seinem Käfer zur Hanfparade einzuladen und daran als DHV-Wagen teilzunehmen. Der DHV und zwei private Unterstützer sponsorten die Benzin-Kosten.
Der Käfer war eine optische Bereicherung für das Event, ein bunter Blickfang, von dessen Motorhaube einiges an Infomaterial mitgenommen wurde.
Es gehört schon eine Menge Mut dazu, mit so einem Auto herumzufahren. es gab aber bisher nur eine Polizeikontrolle. Scheinbar haben sie schnell begriffen: wer mit diesem Auto fährt, ist nüchtern. So konnte Ciro entspannt mit der Parade durch Berlin grooven:
Ein Detail des Wagen ist dann aber manchen übel aufgestoßen. Ciro hat auch den Spruch auf dem Wagen: “Vorgestern verfolgten sie Hexen, gestern Juden, heute verfolgen sie Cannabiskonsumenten und morgen wollen sie wieder nur ihre “heilige Pflicht” getan haben.”
Ich hatte Ciro schon im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, dass der Vergleich mit der Judenverfolgung in Deutschland praktisch reflexartig auf Widerstand stößt und dass schnell der Verdacht aufkommt, man wolle die Judenverfolgung im Dritten Reich verharmlosen. Und tatsächlich, nach der Hanfparade begann auch in meinem Blog die Diskussion darum, z.B.:
Der Käfer ist echt ne tolle Idee. Aber Illegalisierung von Cannabis-Komsum mit der Judenverfolgung gleich zu setzen, ist voll daneben! Du solltest den Spruch auf deinem Auto wirklich ändern. Sonst geht übrigens auch deine Message ziemlich unter.
Ciro selbst schrieb dazu:
Keiner kann diese Grausamkeiten an den Juden je wieder gut machen und ich bedaure das es solche Menschen gibt, die anderen Menschen so etwas antun. Ich bin gegen jegliche Art von Gewalt! Ich hasse keine Juden und auch keine anderen Nationalitäten, denn jeder Mensch ist gleich und hat somit ein Recht auf Freiheit und Gerechtigkeit. Der Vergleich mit den Juden ist ein Hilfeschrei!! Deshalb habe ich die Verfolgung betont. Hilfe, wir werden verfolgt! (…) Wenn ich dennoch jemanden damit getroffen habe, tut es mir sehr Leid. Ich möchte nicht, die schrecklichen Taten an den Juden verharmlosen, im Gegenteil, ich will nur darauf aufmerksam machen, dass mir und vielen Millionen Menschen weltweit Unrecht angetan wird. Der Krieg gegen Drogen ist ein Krieg gegen die Menschen!
Ich kann beide Seiten ganz gut nachvollziehen. Wichtig ist, dass niemand die Art und monströsen Ausmaße der der Verfolgung vergleicht. Es geht nicht darum zu sagen, den Kiffern wird heute das gleiche Leid angetan wie damals. Aber eine Parallele existiert insofern, dass eine gesellschaftliche Gruppe willkürlich als Sündenbock definiert und diskriminiert wird, ohne dass diese Leute anderen oder der Gesellschaft Schaden zufügen.
Ich habe den Vergleich von Kiffer- und Judenverfolgung in den vergangenen Jahren immer wieder gehört. Dabei hatte ich nie den Eindruck, dass die Leute damit etwas gegen Juden sagen wollten oder die Judenverfolgung herunterspielen wollten, sondern es ging ihnen darum klarzustellen, dass es sich um staatliche Willkürakte gegenüber einer bestimmten Gruppe innerhalb der Gesellschaft handelt, die durch nichts gerechtfertigt sind. Jemand hat z.B. mal bei einer Hausdurchsuchung wegen Cannabis einen Polizisten gefragt, ob er das, was er da tut, selbst sinnvoll findet. Der Polizist sagte, er mache nur seine Pflicht. Daraufhin mein Bekannter: “Das hatten wir schonmal in Deutschland.” Ich glaube, diese Geschichte trifft ganz gut, was Leute, die diesen Vergleich anstellen, eigentlich sagen wollen.
Interessant fand ich den Hinweis auf eine neue Partei in Israel, in der sich Holocaust-Überlebende und Hanflegalisierer zusammengetan haben:
Netzeitung, 05. Feb 09
“Der 29-jährige Parteichef und Listenerste Ohad Schem-Tov verweist auf die medizinischen Qualitäten von Cannabis, das schon manchem Krebspatienten das Leben erleichtert habe. Dies schaffe eine Verbindung zu den Holocaust-Überlebenden, die zumeist alt und krank seien. Und noch etwas ist für den Haschisch-Raucher entscheidend: «Sie wissen, was für ein Gefühl das ist, wenn man ohne jeglichen Grund verfolgt wird. Deshalb können sie sich mit uns identifizieren.»”
s. auch das Buch von Tilmann Holzer, der ebenfalls in keiner Weise als Judenfeind oder Holocaustverharmloser angesehen werden kann: Tilmann Holzer: Die Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene. Er zeigt auf, dass die deutsche Drogenpolitik und die Jugenverfolgung aus einem gleichen Geist entspringen.
Mich würde eure Meinung interessieren, im letzten Eintrag dazu hat sich schon eine interessante Diskussion entspannt. Gibt es wirklich Gemeinsamkeiten zwischen der Geisteshaltung der Juden- und der Kifferverfolgung (nicht mit dem Holocaust!!!)? Oder sollte man diesen Teil der deutschen Geschichte lieber als monströses Einzelgeschehen so ruhen lassen und lieber andere Vergleiche ziehen? Ist so ein Vergleich schädlich für die Diskussion um eine Cannabislegalisierung, die damit womöglich überdeckt wird?
Sagt mir eure Meinung…
Comments