Ende 2008 kamen Zweifel auf, ob der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir die Linie seiner Partei für eine vollständige Legalisierung von Cannabis teilt oder nur eine Entkriminalisierung der Konsumenten will. Auch eine Nachfrage durch den DHV trug nur bedingt zur Klärung bei. Nun hat sich Özdemir in zwei Interviews positiv zur Cannabislegalisierung und zu einer liberalen Drogenpolitik geäußert – unsere Kritik hat gewirkt!
Im Interview “Knallharte Gegenwehr gegen rechte Gewalt” antworte Özdemir auf die Frage “Bundesweit liegen die Grünen bei rund 16 Prozent. Bleiben Sie damit unter Ihren Möglichkeiten?” wie folgt:
“Die Grünen haben ein großes Potenzial, das sie noch nicht ausgeschöpft haben. Ein Erfolgsmodell, das wir uns sehr genau ansehen, ist Baden-Württemberg. Es braucht kein Entweder-Oder. Wir können uns für eine liberale Drogenpolitik und für ein Adoptionsrecht für Lesben und Schwule einsetzen und gleichzeitig auf neue Bündnisse mit kleinen und mittleren Unternehmen setzen. Das ist kein Widerspruch.”
In der Zeit sagte er am 6.11.2011:
“Wir müssen unsere Stammwähler weiter pflegen, aber gleichzeitig Angebote an die machen, die uns bisher nicht gewählt haben. Wir haben eine riesige Chance, wenn wir auch enttäuschte Wählerinnen und Wähler von CDU und FDP gewinnen. Ich will sowohl den Befürworter der Legalisierung von weichen Drogen ansprechen als auch den Mittelständler. Beide sind bei den Grünen gut aufgehoben.”
Das hört sich deutlich progressiver und auch aktiver an als die Antwort, die er damals an Georg Wurth schickte: “wir fordern daher geschlossen die Straffreiheit von CannabiskonsumentInnen. Nicht mehr und nicht weniger.” Die grüne Beschlusslage war damals wie heute eindeutig pro Legalisierung.
Özdemir war dieses Jahr drogenpolitisch bereits positiv aufgefallen, als er für den Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit e.V. die Schirmherrschaft für den Gedenktag verstorbener Drogengebraucher am 21. Juli mit dem Motto “Menschenrechte” übernommen hatte und hierfür eine Videobotschaft per Youtube bereitstellte.
Der Gesinnungswechsel des Grünen-Vorsitzenden ist ein kleiner Schritt dahin, dass die 40% der Bürger, die sich für eine Cannabislegalisierung aussprechen, endlich angemessen von den politischen Parteien vertreten werden. Auch für sein Ziel, enttäuschte Merkelwähler anzusprechen, ist seine Position die Richtige. Wie unsere EMNID-Umfrage zeigte, spielte die Parteipräferenz bei der Frage nach der Legalisierung kaum eine Rolle für die Antwort. Nach der Youtubeantwort von Merkel zur Cannabisfrage werden sich nicht nur die 14% der CDU-Wähler, die für eine komplette Legalisierung sind, fragen, ob die CDU drogenpolitisch noch zurechnungsfähig ist.
Wie seine Parteikollegin Renate Künast gehört Özedmir dem Realo-Flügel an. Sie fiel als Spitzenkandidatin im Berliner Wahlkampf sehr negativ auf, da sie sich in einem Interview von der grünen Beschlusslage distanzierte. Nicht nur DHV-Chef Georg Wurth ging in seiner Rede zur diesjähringen Hanfparade auf das grüne Künast-Problem ein, selbst Vertreter der Grünen kritisieren sie dort offen. Der Versuch Künasts, sich durch solche Aussagen für CDU-Wähler attraktiver zu machen, sorgte zum einem mit für den Wahlerfolg der Piraten auf Kosten der Grünen, auf der anderen Seite verloren die Grünen sogar Wähler an die CDU…
Comments